Stierkampf in Portugal
Corrida de touros – Stierkampf auf Portugiesisch
Zwar ähneln sich die beiden Staaten auf der Iberischen Halbinsel in kultureller Hinsicht in vielerlei Dingen, beim Stierkampf jedoch gibt es zwischen Spanien und Portugal einige gravierende und grundlegende Unterschiede.
Während bei der spanischen »Tauromaquia« das tödliche Schicksal des Stiers eigentlich schon von Anfang an feststeht, hat das Tier bei der portugiesischen »Corrida de touros« durchaus eine reale Überlebenschance.
Denn anders als in Spanien ist es in Portugal seit 1836 dank eines Dekrets der damaligen Herrscherin Maria II. aus dem Haus Braganza (1819-1853) gesetzlich verboten, dass der tierische Hauptdarsteller beim Stierkampf zwischen Porto und Faro ums Leben kommt. Seit dieser Zeit haben sich die Kämpfe zwischen Stier und Mensch beiderseits der Grenze unterschiedlich entwickelt.
Nicht ganz zu Unrecht und nicht ohne Stolz nehmen viele Portugiesen deshalb in Anspruch, dass ihre Version des Spektakels nicht nur die relativ Humanere ist, sondern von den gänzlich unbewaffneten forcados (Bezwinger) auch um Einiges mehr an Mut verlangt.
Erst der Adel, dann die Arbeiter
Der Kampf ist traditionell in zwei Phasen geteilt. Bevor die Stierkämpfer jedoch ihr Geschick und Können beim Niederreißen der massigen und stark gereizten Kreatur tatsächlich unter Beweis stellen können, erinnert die erste Phase des Stierkampfs in Portugal durchaus an die martialische spanische Variante.
So besteht der erste Teil des portugiesischen Stierkampfes (cavaleiro), daraus, dass ein zumeist adeliger Reiter auf einem Pferd dem Stier mehrere Pfeile mit Widerhaken (bandarilhas) im gesamten Schulterbereich versetzt. Erst nachdem das Tier ausreichend geschwächt oder auch provoziert ist, beginnt der zweite Teil, die »pega«.
Jetzt treten die acht forcados ohne jegliche Waffe oder Verteidigung direkt als Reihe gegen den Stier an. Der erste Mann reizt den Stier verbal und mit hektischen Bewegungen und springt dann dem anstürmenden Tier mit der »pega de cara« auf den Kopf und packt ihn bei den Hörnern. Die Kunst der anderen Männer besteht in der Folge darin, den Stier mir reiner Muskelkraft an dessen Kopf und Schwanz zum Stehen und auf den Boden zu bringen.
Sterben muss der Stier in Portugal nur, wenn er zu sehr gelitten hat
Obwohl die spitzen Hörner der Tiere beim portugiesischen Stierkampf in der Regel abgeschliffen oder stark gepolstert sind, erleiden die forcados mitunter doch schwere Verletzungen. Todesfälle sind jedoch sehr selten.
Auch der Stier wird wie weiter oben schon erwähnt niemals direkt in der Arena getötet. Hat er sich als guter Kämpfer gezeigt und sind seine Verletzungen nicht allzu schwer, wird er für Zuchtzwecke genutzt. Hat er jedoch zu viel Blut verloren und schwere Wunden davon getragen, wird sein Leben von einem professionellen Fleischer nach der Veranstaltung im Stall getötet.
Unter seinen Anhängern in Portugal und anderswo genießt der portugiesische Stierkampf aufgrund der ausgeklügelten Choreografie der forcados höchste Popularität. Bei Ferias und anderen Volksfesten in Portugal gibt es oftmals Wettbewerbe für den jungen Nachwuchs.
Die Männer sind auch bis heute Amateure und stammen häufig aus der Arbeiterklasse, ihre Vereinigungen sind in den jeweiligen Regionen hoch angesehen.
Das archaische Treiben wird heute von vielen stark kritisiert
Mit 100 Jahren ist die »Grupo de Forcados Amadores da Moota« eine der ältesten Gruppen im Land, weitere bekannte Gruppen stammen u.a. aus Santarém, Vila Franca de Xira, Montemor-o-Novo, Lissabon, Évora, Aposento da Moita, Coruche, Alcochete, Caldas da Rainha, S. Manços, Coruche, Ribatejo und Coimbra.
Bezüglich der Popularität des Stierkampfs gibt es jedoch auch in Portugal traditionell stark ausgeprägte Unterschiede. Besonders gut besucht werden die Kämpfe vor allem auf den Azoren sowie im Zentrum und im Süden des Festlandes, als Hochburgen gelten die beiden ländlichen Provinzen Ribatejo und Alentejo.
Im Norden lässt sich der Stierkampf zwar ebenfalls historisch nachweisen, heutzutage gibt es dort jedoch nur noch wenige Veranstaltungen. In der Stadt Viana do Castelo und im gleichnamigen Distrikt in der Unterregion Minho-Lima wurden die Kämpfe nach anhaltenden Protesten von Tierschützern im Jahr 2009 gänzlich verboten.
Auch die regelmäßig live in Sendungen des staatlichen Rundfunks »Rádio e Televisão de Portugal (RTP)« übertragenen Kämpfe sehen sich in den letzten Jahren immer häufiger heftiger Kritik von linken Parteien und Tierrechtsorganisationen ausgesetzt.
In einigen Jahren wird es die Kämpfe vermutlich überhaupt nicht mehr geben
Es ist somit anzunehmen, dass der Stierkampf in Portugal in nächster Zeit weiterhin an Zuspruch verlieren wird. Schon jetzt ist es etwa zu beobachten dass auch die speziellen regionalen Varianten auf den Azoren, wo die Stiere lediglich wie in Pamplona über eine bestimmte Wegstrecke gejagt werden, deutlich seltener stattfinden.
Letztlich bleibt es also jedem Besucher bzw. jeder Besucherin Portugals persönlich überlassen, ob er oder sie einem Kampf beiwohnen möchte oder nicht.
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