Kino in Portugal
Frühe Kinogeschichte Portugals
Als Aurélio Paz dos Reis 1896 mit seinem mannshohen Kinematographen der Brüder Lumière Portos Feuerwehr aufnahm, mutete das sicherlich komisch an. Nur ein halbes Jahrhundert nach der weltweit ersten Fotografie begründete er mit »Manobras de Bombeiros« das portugiesische Kino.
1904 lud das erste Filmtheater in Lissabon seine Gäste ein: »Der ideale Salon«. Die Erfindung des Storytellings durch João Freire Correia war der nächste Meilenstein hin zu unserem heutigen Kino. Das wirtschaftliche Potential spürend, gründete er 1909 die »Portugália Film«. 1911 entstand der erste Kurzfilm Portugals.
Die 1920er und 1930er Jahre waren geprägt durch Komödien und die Gründung weiterer Filmunternehmen, unter anderem: »Tobis Portuguesa« (1932). 1931 hatte Manoel Cândido Pinto de Oliveira das erste Mal Regie geführt, im Stummfilm: »Douro, faina fluvial«. Bis zu seinem Lebensende, 2015, sollte Oliveira nicht aufhören als Regisseur. Als 1933 die Verfassung des diktatorischen »Estado Novo« in Kraft trat, stand das portugiesische Kino wirtschaftlich am Anfang. Später wurde es ein Instrument dieser Ideologie und entwickelte eine Hochphase.
Nach dem 2. Weltkrieg: Kein Neubeginn beim Kino
In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich Europa stark weiter – Portugal hatte wenig Anteil an dieser Dynamik. Die internationale Gemeinschaft bemängelte die rechtsgerichtete Innen- und Kolonialpolitik des iberischen Landes. Es trat erst 1955 in die UNO ein. Die portugiesischen Kinozuschauer bekamen immer realitätsfernere Komödien vor Gesicht.
Ein Stierkampf-Film war 1958 der erste Farbfilm in Portugal. Trotz dieser neuen Qualität rauschte das portugiesische Kino in eine Krise. 1955 war kein inländischer Film mehr produziert worden. Hinzu kam die Fernsehkonkurrenz durch RTP ab dem 7. März 1957. Zwei Drittel der Portugiesen konnten den Sender empfangen, Mitte der 1960er Jahre 100 Prozent.
1962–1974: Der Neue Portugiesische Film als Ausweg
Das »Novo Cinema«, wie es die Portugiesen nennen, gibt es heute nicht mehr. Mit der Nelkenrevolution 1974, und dem Ende der staatlichen Zensur war seine Zeit ausgelaufen.
In Anlehnung an das brasilianische »Novo Cinema« hatten die Filmschaffenden ab 1962/63 die Bedürfnisse der Jugend nach Freiheit, Selbstverwirklichung und Konsum thematisiert. In ihren alternativen Filmen setzten Schauspielerinnen wie Maria Cabral und Regisseure wie José Fonseca e Costa traditionelle Werte, vor allem die des ländlichen Portugals, in den Kontrast zu den Normen und Möglichkeiten in der Stadt.
Der erste Film, »Die grünen Jahre« (»Os Verdes Anos«), unter der Regie des erst 27-jährigen Paulo Rocha, war nach den 1940er Jahren wieder der erste authentische Film. Im Mittelpunkt stand ein arbeitssuchender junger Mann, der in der Stadt vergeblich sein Glück und die Liebe sucht.
Rocha wurde 1969 Mitbegründer des Portugiesischen Filmzentrums (Centro Português de Cinema/CPC). Die Gründung resultierte aus der Kritik an der mangelnden Anerkennung durch die portugiesische Kulturstiftung Gulbenkian. Schließlich erhielt das CPC doch für die ersten drei Drehjahre finanzielle Unterstützung – unter anderem für den Landarbeiter-Film »Pedro Só«. Alfredo Tropa drehte ihn 1972 im Norden Portugals mit den Dorfbewohnern Múrias. Der Kritikerpreis des spanischen Filmfestivals von Valladolid würdigte die Authentizität des Films.
1974: Quo vadis? – Wohin gehst du, portugiesisches Kino?
Nach der politischen Wende, 1974, diskutierten die Filmkritiker die neuen Wertmaßstäbe: Welche Rolle soll das Kino in Portugals Zukunft spielen? Wollen die Filmemacher Umschreibungen endlich durch eine direkte Sprache ersetzen? Zwei Richtungen kristallisierten sich heraus: Paulo Roche und Eduardo Geada brannten dafür, avantgardistische, radikale Filme zu drehen, um wichtige Diskussionen anzustoßen.
Vertreter des Novo Cinema wie António-Pedro Vasconcelos und Luís Galvão Teles hingegen propagierten eine unterhaltsame, direkte Sprache. Sie meinten, sie dürften sich nicht von der Masse der portugiesischen Kinobesucher ablösen. In diesem Sinne gelang Fonseca e Costa 1981 ein Hit mit der Action-Komödie: »Kilas, der Böse des Streifens« (»Kilas, o Mau da Fita«).
Das Kino in Portugal heute
Die zeitgenössischen Filme ab den 1980er Jahren fußen auf einer Vielzahl begnadeter Regisseure und Schauspieler in Portugal. So gelingen dem Regisseur Carlos Coelho da Silva immer wieder Blockbuster beim Mainstream-Publikum, unter anderem mit:
- »Das Verbrechen des Pater Amaro« (»O Crime do Padre Amaro«, 2005) und
- »Ein Abenteuer in dem überschatteten Haus« (»Uma Aventura na Casa Assombrada«, 2009).
Folgende Filmschauspieler gehören nicht nur zu den bekanntesten Portugals. Die Charakterschauspieler bringen bei den Zuschauern immer wieder starke Gefühle hervor, und man erinnert sich noch lange Zeit danach an ihre Klasse gespielten Rollen:
- Joaquim de Almeida (»Nelken für die Freiheit«, 2000, und »Portugal, mon amour«, 2013) und
- Ana Moreira (»Os Mutantes«, 1998, und »Tabu – Eine Geschichte von Liebe und Schuld«, 2012).
Portugals Kino meistert die besondere Herausforderung, dass seine finanziellen Mittel begrenzt sind. Der Markt unter den zehn Millionen Portugiesen ist klein. Die Filme reflektieren die Sichtweisen der Menschen. Sie sprechen ihre Sprache. Im Ausland besitzen die portugiesischen Filme meist den Ruf als ein Kino für gehobene inhaltliche Ansprüche. Regisseure wie Tino Navarro, Paulo Branco und António da Cunha Telles tragen zu diesem Bild bei.
Hast du Lust, dich vor Ort mit Filminteressierten aus vielen Ländern auszutauschen? Wenn du über portugiesische Sprachkenntnisse verfügst, schau doch einmal zu folgenden Filmfestivals. Sie zeigen dir die Lebendigkeit und Vielfalt der portugiesischen Kinoszene:
- »Caminhos do Cinema Português« in Coimbra – das Festival des portugiesischen Films
- »CineEco« in Seia – das Umweltfilm-Festival
- »Doclisboa« – das Lissabonner Festivals für Dokumentarfilme
- »Fantasporto« in Porto – das Festival für Fantasy Filme
- »Festróia« in Setúbal – das Festival für Länder, die unter 30 Spielfilmen jährlich herausbringen
- »Indie Lisboa« – das Festival für den Independent-Film
- »Queer Lisboa« – das Festival für den schwul-lesbischen Film.
Ausblick
Die neueste Entwicklung bei Portugals Kino veröffentlichte vor kurzem die Tourismusbehörde: Filmproduzenten aus Hollywood und Burbank/Kalifornien hätten das Land besucht. Es ginge um die Identifizierung möglicher Drehorte von Paramount Pictures, Warner Bros. Entertainment und Walt Disney. Die Akquise-Tour ist Teil einer größer angelegten Tourismusstrategie der portugiesischen Regierung und des Tourismusministeriums. Auch Bollywood hat sich schon in Portugal umgeschaut.
Der Dreh für 14 Filme ist fix, mit einem Gesamtbudget von 24 Millionen Euro. Wir dürfen uns freuen auf spannende Gemeinschaftsprojekte der Portugiesen mit den Spaniern und Franzosen. Auch die Brasilianer und Italiener wollen hier drehen. Parallel präsentiert die staatliche Filmförderung ICA ihr außergewöhnliches Land auf der großen Filmmesse »American Film Market« in L.A.
Buchempfehlung
111 Gründe, Portugal zu lieben: Eine Liebeserklärung an das schönste Land der Welt
von Annegret Heinold (Autor)
Wer denkt, Portugal sei nur ein zweit- oder drittklassiges Reiseziel, der liegt gehörig falsch. Dies zeigt Annegret Heinold in ihrem Buch 111 GRÜNDE, PORTUGAL ZU LIEBEN.