Gesundheitssystem in Portugal
»Saúde! Auf die Gesundheit!« – das Verhältnis der Portugiesen zum Arzt
Die staatliche Seite – eine sparsame Weiterentwicklung
Der nationale Gesundheitsdienst Portugals rangiert laut der WHO auf Platz 12. Einzigartig ist sein kostenloser Zugang für alle Portugiesen zu Basis-Gesundheitsleistungen und Operationen in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen – bis auf geringe Zuzahlungen und Selbstbehalte. Die Patienten können außerdem Subventionen bei Medikamenten, Zahnersatz, Brillen und Kuren nutzen. Die Gesundheitsvorsorge wie Impfungen hat sich in den letzten Jahren verbessert.
Sein Nachteil sind die langen Wartezeiten für Operationen ohne dringenden Anlass und Facharzt-Behandlungen. Manche dieser Einschränkungen wie auch die unzureichende Versorgung von Krebspatienten resultieren noch aus der Zeit der Schuldenkrise (2011–2014). Die Nachbehandlung nach Operationen, die Krankenpflege und die psychiatrische Versorgung haben sich jedoch peu à peu weiterentwickelt. Dabei haben sich die staatlichen Gesundheitsausgaben von 2015 bis 2017 pro Kopf erhöht: von 2.400 auf 2.600 Euro (Quelle: wko.at). Hauptgründe sind der mengenmäßige Anstieg an Computertomographen (CT) und Magnetresonanztomographen (MRT), der Zuwachs an Operationen sowie höhere Medikamentenkosten. Die Regierung spart im Verborgenen und begrenzt die Ausgaben bei laufenden Kosten.
Der medizinische Versorgungsgrad Portugals liegt bei 3,33 Ärzten je 1.000 Einwohnern gegenüber 3,73 in Deutschland. Den privaten Gesundheitsdienstleistern gelingt es immer besser, ein Stück vom großen Kuchen abzubekommen. Die Lebenserwartung der Portugiesen bei Geburt ist schließlich hoch. Sie lag 2017 bei 85 Jahren, bei Frauen, und 79 Jahren, bei Männern – gegenüber 83 Jahren bei den deutschen Frauen und 79 Jahren bei den deutschen Männern (Quelle: WKO). Da gibt es immer mehr zu heilen und zu pflegen.
Ein Entwicklungsproblem sind die gewünschten Reinvestitionen. In ein Arztstudium steckt der Staat ungefähr 100.000 Euro, in die Facharztausbildung 200.000 bis 400.000 Euro. Jedoch ergattern weniger Absolventen eine freie Stelle im öffentlichen Dienst als es möchten; das Angebot ist nicht groß genug. Der Konkurrenz ist das Recht – den privaten Gesundheitszentren, die mit ihrer modernen Ausstattung und angemessenen Bezahlung bei den Bewerbern punkten.
Tendenzen auf Patientenseite
Aus Sicht der Bürger verstärkt sich der Trend hin zu einer privaten Zusatzversicherung. Damit können sie auch Konsultationen bei einem Privatarzt wahrnehmen. Sie profitieren gern von der rascheren Terminvergabe, als sie es von ihrem Gesundheitszentrum, dem »Centro de Saúde«, gewöhnt sind. In diese Situation hinein platzte Mitte Februar 2019 der Streik des staatlichen OP-Pflegepersonals, der die ohnehin wartenden Patienten vor Herausforderungen stellte. Während ein Teil der Pfleger einen Notplan für dringende Operationen aufrechterhielt, machte der andere Teil auf die zu geringen Einstiegsgehälter aufmerksam.
Gut ausgebildete Pflegekräfte auf der Suche nach Arbeit
Die Absolventen der steuerfinanzierten Pflegefachhochschule Coimbra starten ihre Karriere mit einer Belastung von 5.500 Euro an Studiengebühren (Stand: 2019). Ihr Plus sind die Bachelor- und Masterabschlüsse für Krankenschwestern, im Vergleich zu den deutschen Pflegekräften. Jährlich schaffen das circa 380 Absolventen an der in 1881 gegründeten, ältesten portugiesischen Krankenpflege-Akademie: »Escola Superior de Enfermagem«.
Eine rosige Zukunft erwartend, fällt jedoch auf, dass aktuell eine medizinische Projektassistenz (MTA) in Lissabon durchschnittlich 20.000 Euro brutto im Jahr verdient, bei einer fünfjährigen Berufserfahrung und einem Lebensalter von 30. Eine examinierte Pflegekraft kommt jährlich auf durchschnittlich 18.000 Euro – mit zehn Jahren Berufserfahrung, einem Lebensalter von 35, verheiratet und mit zwei Kindern (Quelle: medinside.ch).
Die Gehälter sind die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass zwei Drittel der Absolventen keine Anstellung finden, in ihrer Heimat. So gingen 2015 2.768 Schwestern und Pfleger als auch 707 Ärzte ins Ausland. Wo blieb der Rest? Die Menschen haben dann die Wahl, als Scheinselbständige unter Tariflohn tätig zu werden. Vielleicht landen sie unter diesen Bedingungen dann doch beim staatlichen Gesundheitsdienst oder in einer Privatklinik. Oder sie verdingen sich bei einer Zeitarbeitsfirma. Um das Bild zu relativieren, sei ergänzt, dass die Portugiesen, im Vergleich zu ihren deutschen Kollegen, etwa 20 Prozent weniger für die Lebenshaltung aufwenden brauchen. Auch die Mieten können mit 250-650 Euro Nettokaltmiete für zwei Zimmer günstiger sein, außerhalb des Stadtkerns.
Was den Ärzten in Portugal wichtig ist oder: Mit einer Fachausbildung in ein einfaches Krankenhaus?
Ein Lissaboner Allgemeinarzt darf im Durchschnitt mit 26.000 Euro brutto pro Jahr rechnen, in einem öffentlichen Krankenhaus, bei zehn Jahren Berufserfahrung, einem Alter von 35-40, verheiratet und als Vater zweier Kinder. Man mag altruistische beziehungsweise soziale Gründe vermuten, wenn sich ein Bewerber nicht auf die gut ausgestatteten privaten Kliniken fokussiert. Fakt ist, dass die Unterfinanzierung und Qualitätsverringerung in den staatlichen Gesundheitseinrichtungen zu ihrer verminderten Attraktivität geführt haben. Das gereichte den neuen 1.900 ausländischen Ärzten zum Vorteil, für die diese Stellen heiß begehrt waren (Stand: 2015). Und das ist gut so.
Entwicklungsergebnis
Die staatlichen Polikliniken in Portugal haben sich seit 1988, ähnlich wie in Deutschland, auf Betriebswirtschaftlichkeit und Rentabilität ausgerichtet. Ein bedeutender Entwicklungsschritt nach dem Ende der letzten Rezension waren die personellen Anpassungen an die 35-Stunden-Woche, die zunächst mit vermehrten Einstellungen einhergingen. Ihre Deckelung führte zu einem neuen Personalmangel. Er ist einer der Faktoren dafür, dass die öffentlichen Einrichtungen nur ein Drittel des Bedarfs an medizinischen Dienstleistungen abdecken können.
Checkliste für deinen Arztbesuch in Portugal
Zum Arzt oder warten bis nach dem Urlaub?
Grundsätzlich triffst du eine Entscheidung, ob eine Erkrankung oder Verletzung von alleine ausheilt, zum Beispiel ein Bienenstich oder Sonnenbrand. Oft kann die Behandlung auch bis nach dem Urlaub warten, wenn du wieder in Deutschland bist. Das kann bei einer abgebrochenen Zahnecke sein, bei der du keine Schmerzen verspürst und mit der du vorübergehend weiter essen kannst. Wie du im Folgenden siehst, wirkt sich deine Wahl aus: auf die Kostenerstattung und die Wartezeiten vor Ort.
Welche Krankenversicherung bezahlt was in meinem Portugal-Urlaub?
Als gesetzlich Versicherter ungeplant zum Arzt
Auf der Rückseite deiner deutschen Versicherungskarte findest du die EHIC – die »European Health Insurance Card«. Halte sie zusammen mit deinem Personalausweis und den englisch- oder spanischsprachigen Bezeichnungen für deine Symptome bereit.
In einem staatlichen Gesundheitszentrum (Centro de Saúde) oder der Notaufnahme eines öffentlichen Hospitals (hospitales públicos com urgência) erhältst du darüber sogenannte medizinisch notwendige und unverzüglich erforderliche Behandlungen. Dein vorübergehender Aufenthalt in Portugal darf dafür in der Regel maximal sechs Wochen pro Kalenderjahr lang sein. Nach Ausfüllen eines Formulars erhältst du nun eine ambulante Grundversorgung mit Medikamenten und Hilfsmitteln oder Teilleistungen bei einem stationären Aufenthalt. Der Arzt rechnet direkt mit deiner Krankenkasse ab.
Bei Akzeptanzproblemen der EHIC legst du die Kosten aus und reichst die Rechnungen zur Erstattung bei deiner Krankenkasse ein. Bringe bei deiner Krankenkasse in Erfahrung, welche Behandlungsdaten sie zur Erstattung benötigt. Maßstab für die Höhe der Rückzahlungen sind die für die Portugiesen in Portugal üblichen Kostenerstattungen.
Nicht versichert sind die Behandlung chronischer Erkrankungen und Vorsorgeuntersuchungen. Auch den Besuch eines Facharztes in einem öffentlichen Krankenhaus, eines Privatarztes, eines Privaten Krankenhauses und den Rücktransport nach Deutschland im Krankheitsfall musst du privat bezahlen. Meist sind solche Kosten sofort fällig. Geplante Arztbehandlungen im Portugalurlaub wie die Dialyse solltest du vorher mit deiner Krankenkasse abklären.
Als privat Krankenversicherter – Beamter, Angestellter mit hohem Einkommen, Firmeninhaber oder Selbständiger
Als privat Versicherter bist du während deines ersten Monats im europäischen Ausland über deine Krankenkasse weiterversichert und weist es neuerdings mit dem »Certificate of Entitlement« nach. Du erhältst es auf der Website von pkv.de. Ob ein medizinisch notwendiger Rücktransport nach Deutschland mitversichert ist, bemisst sich nach deinem Vertrag.
Rechne mit folgenden Auslagen an Bargeld: beim Zahnarzt mit circa 40 Euro pro Behandlungsstunde, bei einem Arzt mit circa 60-90 Euro – zuzüglich der Kosten für Röntgen, Material und Medikamente.
Als Inhaber einer Jahres-Reisekrankenversicherung – für Kurzzeit
Eine zusätzliche Reisekrankenversicherung für eine bis zu sechswöchige Reise empfiehlt sich für alle oben genannten Kosten abzuschließen, die deine Krankenkasse nicht erstattet. Es gibt sehr preiswerte Versicherungen wie die der ERGO, ab 10 Euro pro Jahr. Ein Krankenrücktransport und ein Notrufservice sind eingeschlossen.
Ratsam ist ein Abgleich der gebotenen Versicherungsleistungen mit deinen Sicherheitsbedürfnissen, zum Beispiel: Sollte ein Rückflug bei einem medizinischen Notfall mitversichert sein oder nicht? Sinnvoll ist, den genauen Wortlaut des Gebotenen zu checken, zum Beispiel die Unterscheidung zwischen: »zwingend notwendigen« Behandlungen oder Rücktransporten und »medizinisch sinnvollen«. Die Versicherungen verlängern sich ohne Kündigung meist von Jahr zu Jahr.
Als Langzeiturlauber, Praktikant oder Studierender
Für ein Jahr oder bis zu fünf Jahre Ausland am Stück versichern dich Auslandsreisekrankenversicherungen wie die von STA Travel ab 34 Euro monatlich oder HanseMerkur. Es handelt sich um Basis-Versicherungen für medizinische Notfälle im Ausland. Bei früherer Rückkehr lässt du dir die Differenz erstatten.
Vor der Behandlung in Portugal: Kostenübernahme abklären
Deine Auslandsreisekrankenversicherung wünscht in der Regel eine telefonische Information VOR deiner Behandlung – selbst bei geringen Kosten.
Kommen bei jeder Krankenversicherung größere Summen auf dich zu, so erfrage, ob du die Kosten auslegen sollst oder ob es eine direkte Kostenabwicklung mit dem Krankenhaus, zum Beispiel bei Operationen, geben kann. Bei Verlegung kläre mit deiner gesetzlichen Krankenkasse vorher ab, welchen Teil der privaten Kosten sie übernimmt. Du brauchst dazu vom Facharzt oder Privatarzt einen Kostenvoranschlag.
Kontakte:
- Liste deutschsprachiger Ärzte in Lissabon, Porto und an der Algarve. Mit privater Bezahlung ist zu rechnen
- Lissaboner Krankenhäuser mit Notaufnahme
- Notfall-Telefon bei Unfällen: Telefon 112, kostenlos, für Notarzt, Rettungswagen, Polizei und Feuerwehr
- Apotheken-Notruf: Telefon 118
Wie das Gesundheitssystem in Portugal strukturiert ist
Portugal weist private Krankenhäuser (hospitales particulares) und öffentliche Hospitäler (hospitales públicos) auf. Die beste Versorgung bieten in Portugal alle privaten Krankenhäuser sowie die öffentlichen Kliniken folgender Orte: Lissabon, Faro, Porto, Évora und Portimão.
Die öffentlichen Hospitäler gehören zum SNS, dem öffentlichen Gesundheitssystem in Portugal (Serviço Nacional de Saúde) mit drei Säulen: den Gesundheitszentren in den Regionen (Centros de Saúde), den öffentlichen Kliniken in unterschiedlichen Rechtsformen und den örtlichen Gesundheitsstationen (Unidades locais de Saúde).
Die Centros de Saúde sind keine Krankenhäuser, sondern mit einem Hausarzt vergleichbare Einrichtungen. Sie stellen dir als Tourist Überweisungen in ein Krankenhaus (hospital) oder zu einem Facharzt aus. Clinicas sind häufig eine Bezeichnung für kleine Praxisgemeinschaften niedergelassener Ärzte oder Zahnärzte.
Zudem existieren berufsständische Gesundheitsdienstleister. Außerdem ist circa ein Drittel der Portugiesen der Naturmedizin beziehungsweise Alternativmedizin zugeneigt. Naturkostläden in den großen Shoppingcentern als auch den hippen Einkaufsstraßen bieten feil, was Osteopathen, Heiler und Dienstleister für Akupunktur, Faszien-Behandlung und Homöopathie anraten.
Gesundheits-Tipps für dich als Tourist in Portugal
Impfungen
Ein verpflichtender Nachweis besteht für Madeira und die Azoren für die Gelbfieber-Impfung, sofern man vorher über ein Gelbfieber-Gebiet eingereist ist.
Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes für das portugiesische Festland zielen auf die in Deutschland auch üblichen Impfungen ab: Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten (Pertussis), Polio, Mumps, Masern, Röteln, Pneumokokken und Gürtelrose. Als Reiseimpfungen kommen Hepatitis A und gegebenenfalls Hepatitis B hinzu. Für Langzeitaufenthalte von Studierenden und Schülern lauten die Empfehlungen auf Meningokokken C.
Schutz vor dem Dengue-Fieber auf Madeira
Auf Madeira können tagaktive Stechmücken für die Übertragung der Viren des Dengue-Fiebers verantwortlich sein. Mit einem Moskitonetz und Fenstergazen, Anti-Mückensprays und langen, hellen Kleidungsstücken beugt man dem vor, insbesondere bei Kindern oder chronischen Erkrankungen.
Gesunde Mittelmeerküche bei Hitze – kann ich alles essen und trinken?
Das Leitungswasser und das Quellwasser in Portugal sind Trinkwasser. An heißen Tagen ist es sinnvoll, vorsichtig mit erhitzten Speisen zu sein, ob sie heiß genug und lange genug gegart sind – insbesondere mit Fleisch, vorrangig Geflügel, Fisch und Meeresfrüchten. Speise-Eis und Gerichte mit Frisch-Ei, zum Beispiel Mayonnaise, sollten frisch und kalt sein. Geht man dort hin, wo schon viele Leute essen, zeugt das von einem großen Umlauf an den Zutaten, die nicht lange gelagert werden. Frischen Fisch findest du auf einem der zahlreichen Fischmärkte, zum Beispiel an der Algarve: in Quarteira (Loulé/Faro) und Olhão.
Schwimmen im Atlantik
An der Atlantikküste rechne immer mit Unterströmungen am Ufer. Sie können dich ins Meer ziehen. Deshalb ist das Baden an beflaggten Badestränden, in Sichtweite von Rettungsschwimmern oder einer weiteren Person, am Sichersten.
Fazit: Für einen Portugal-Urlaub bist du über deine deutsche Krankenkasse weiter versichert. Sehr sinnvoll ist der Abschluss einer zusätzlichen Auslandsreisekrankenversicherung. Bis zu sechs Wochen Urlaub kostet sie fast nichts und du kannst im Notfall sofort privat zu einem Arzt oder Zahnarzt gehen. Sie versichert auch deinen Rücktransport nach Deutschland.
Das Spannende an Portugal ist: Du triffst auf ein humanes Gesundheitswesen, das allen Portugiesen, auch mit geringstem Einkommen, den Zugang zum Arzt ermöglicht. Wir wünschen dir einen erholsamen Urlaub in Portugal.
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