Big-Wave-Surfing in Nazaré
Surfen an der Westküste Portugals: Die perfekte Riesenwelle
Wir wollen in diesem Beitrag dem Phänomen auf die Schliche kommen und uns damit beschäftigen, wer hier surfen kann und wer es, wenn er das Ganze denn gut überstehen möchte, lieber sein lassen sollte.
Surfen – der Wassersport mit aktueller Erfolgsgeschichte
Obwohl das Surfen bereits seit der Besiedlung Hawaiis im 11. Jahrhundert vor Christus als wichtiger kultureller Aspekt bekannt ist, konnte es sich als beliebte Sportart gerade in Europa erst viel später durchsetzen. Ab Mitte der 1950er Jahre begannen die Deutschen mit dem Wellenreiten – und zwar auf der Insel Sylt. Hier wurden erste Rettungsbretter der Rettungsschwimmer kurzum zu Surfboards umfunktioniert. Nach und nach gab es einen Zuwachs an Begeisterten und Anfang der 90er Jahre öffneten schließlich diverse deutsche Wellenreit-Vereine.
Heute ist das Surfen in fast allen Ländern der Welt eine anerkannte und von vielen geliebte Sportart. Das geht sogar so weit, dass sich unter bekanntesten Anbietern von Sportwetten auch solche finden, die immer wieder diverse Möglichkeiten zu Wetten auf Surfevents anbieten. Vor einigen Jahren wäre so etwas noch unvorstellbar gewesen.
Und damit nicht genug: Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio soll das Surfen erstmalig sogar in das olympische Wettkampfprogramm aufgenommen werden. Weiterhin finden weltweite Wettkämpfe im Surfen an unzähligen rauen Küsten aller möglicher Länder statt. Eine dieser Küsten ist die Westküste Portugals. Das Fischerdörfchen Nazaré steht dabei im Zentrum des Geschehens.
Nazaré – jährlicher Hotspot für unzählige Surf-Fans
In einem anderen Artikel, indem wir die unserer Meinung nach besten Surfspots in Portugal vorgestellt haben, findet Nazaré bereits Erwähnung. Und schon hier haben wir betont: Die Wellen hier sind bis zu 30 Meter hoch und damit ein Hotspot für Profisurfer aus aller Welt. Sie kommen jährlich in das idyllische Fischerdorf und messen sich in offiziellen und privaten Wettkämpfen im Suchen, Finden und Reiten der höchsten Wellen des Planeten. Im Jahr 2017 wurde in Nazaré auch der neue Weltrekord im Surfen der höchsten Welle aufgestellt.
Der Brasilianer Rodrigo Koxa, bezwang am 08. November 2017 eine 24,38 Meter hohe Monsterwelle und konnte damit den bisherigen Weltrekord von Garrett McNamara (23,77 Meter) von 2011 knapp übertrumpfen. Koxa gewann damit nicht nur den »Quiksilver XXL Biggest Wave Award 2018«, sondern sicherte sich auch einen Eintrag im Guinness World Record Register. Das war nur möglich mit den gigantischen Wellen der Küste Nazarés.
Aber wie kommt es gerade hier zu diesen berüchtigten Big Waves?
Nicht nur in Nazaré gibt es monströse Wellen, sie finden sich etwa auch in Kalifornien am Surfspots Mavericks südlich von San Francisco oder auf Hawaii. Und sie alle haben eine Gemeinsamkeit: Der Meeresboden ist auf eine bestimmte Art und Weise so beschaffen, dass sich die vom offenen Ozean anrollenden Wellen vor dem Brechen besonders stark auftürmen können.
Im Falle Nazarés ist das durch einen Unterwasser-Canyon möglich. Dieser extrem tiefe Graben in der Kontinentalplatte liegt in perfekter Entfernung vor dem Ufer. Die Wassertiefe wird damit so abrupt reduziert, dass die Wellen in eine bestimmte Bahn gelenkt und sehr groß und schnell werden können.
Natürlich wird nicht jede Welle an der Küste Nazarés zu einer Riesenwelle. Die richtigen Bedingungen müssen alle zusammenkommen. Der optimale »Swell«, also der auslaufende Seegang aus West oder Nordwest, etwa durch einen Sturm auf hoher See verursacht, trägt einen wichtigen Teil bei. Und auch der Offshore-Wind aus Osten türmt die Wellen vor dem Fischerdörfchen und dem berühmten Leuchtturm auf dem kleinen Landzipfel weiter auf.
Der Unterschied zum »normalen« Surfen
Big Wave Surfen, wie es in Nazaré praktiziert wird unterscheidet sich von herkömmlichem Surfen. Von Big Wave Surfen spricht man zunächst einmal erst ab einer Wellengröße von etwa 20 Fuß. Das entspricht in etwa 6 Metern. In Nazaré können die Big Waves durchaus aber auch über 30 Meter groß werden.
Durch normales Paddeln, wie beim Surfen sonst, sind diese Big Waves nicht zu bekommen, bzw. zu riskant anzugehen. Stattdessen werden die Surfer mit Hilfe eines Jetskis beim Big Wave Surfing in die massiven Wellen hineingebracht/ hineingezogen und dort sich selbst überlassen. Die Jet Skis haben außerdem noch die Funktion, Athleten, die eine Welle nicht reiten konnten und nach einem Wipe Out unter die hohe Welle gekommen sind, sicher wieder aus dem Wasser ziehen und einsammeln zu können.
Das Surfen auf Big Waves bedarf noch einmal eines ganz eigenen Trainings und verschiedenen Fertigkeiten, die normale Surfer sich erst antrainieren müssen. Jahrelange Surferfahrung ist hierfür unabdingbar. Dass der Versuch eine Big Wave zu reiten selbst bei Profis unglücklich enden kann, beweist der schwere Sturz des Surfers Alex Botelho.
Der portugiesische Surfer war zusammen mit einem Jetski von einer Big Wave mitgerissen worden. Beim Versuch, Bothelo aus der Gefahrenzone zu retten, kollidierten zwei Wellen, die den Jetski meterhoch in die Luft schleuderten. Der Jetski-Fahrer brach sich ein Bein und Botelho wurde vermutlich beim Aufprall bewusstlos. Später zog man ihn zumindest bewusstlos aus dem Wasser, in einem Krankenhaus musste er künstlich beatmet werden. Nach eigenen Angaben hat sich sein Zustand glücklicher Weise wieder stabilisiert.
Die WSL Big Wave Challenge
Nach dem Unfall Bothelos wurde die Kritik laut. Auch Sebastian Steudtner, der bekannteste deutsche Big-Wave-Surfer, meldete sich zu Wort: »Wir brauchen spätestens nach diesem Unfall Sicherheitsstandards, an die sich alle halten. Es kann nicht sein, dass es vier Minuten dauert, bis ein bewusstloser Surfer an Land geholt wird.«
Auch kritisierte Steudtner die WSL, die World Surf League, eine Vereinigung von professionellen Surfern, die die Weltmeisterschaften im Wellenreiten ausrichtet. Auch in Nazaré veranstaltet sie jährlich die Big Wave Challenge (dieses Jahr fand erstmals auch die Nazaré Tow Surfing Challenge mit Surf-Teams statt. Steudtner kritisiert die Art, wie die Vereinigung mit dem Vorfall Bothelo umging. Die WSL veröffentlichte auf Instagram und YouTube ein Video, das die Katastrophe in Form eines Zusammenschnittes zeigte.
»In welcher Sportart gibt es das«, fragte Steudtner daraufhin, «dass mit der Kamera draufgehalten wird, wenn ein Sportler ohnmächtig ist – und danach werden noch Zusammenschnitte an die Presse verteilt?«
Es kann davon ausgegangen werden, dass die Debatte ein Nachspiel hinsichtlich der Sicherheitsstandards in Nazaré sowie hinsichtlich der Berichterstattung über Surfer seitens der eigenen großen Verbände haben wird. Die gute Nachricht ist, dass dieses Nachspiel sich nur positiv auf den Sport auswirken kann. Erhöhte Sicherheitsstandards können die Gesundheit aller Wagemutigen noch stärker gewährleisten und den eigentlich so guten Ruf der Sportart als friedliche Gemeinschaft hoffentlich weiter aufrechterhalten.
Bleibt abschließend noch zu klären? Ab welchem Erfahrungsgrad im Surfen sollten sich Surfer überlegen, sich in die Big Waves vor Nazaré zu wagen? Und wer sollte Abstand nehmen? Und gibt es für all diejenigen, für die die Wellen des Fischerdörfchens eine Nummer zu groß sind gute Alternativen in der Nähe?
Wer in Nazaré surfen sollte und wer nicht
Die richtigen Big Waves in Nazaré, das sollte klar sein, dürfen auf keinen Fall unterschätzt werden. Eine falsche Entscheidung, eine falsche Bewegung oder eine unvorhersehbare Wendung, auf die nicht abgeklärt und innerhalb von Sekundenbruchteilen professionell reagiert wird, kann über Leben und Tod entscheiden. Big Wave Surfer trainieren aus diesem Grund auch Jahre lang hart, um für den Ernstfall so weit gewappnet zu sein, wie dies möglich ist.
Wer also darüber nachdenkt, als Surfeinsteiger oder auch Fortgeschrittener einmal nach Nazaré zu fahren und sich mit den berühmten Wellen zu messen, sollte diesen Plan am besten schnell wieder verwerfen. Selbst, wenn die Wellen einmal nicht auf ein zehn oder gar zwanzig Meter kommen, sieht man an Nazarés Praia do Norte aus gutem Grund meistens nur Surfprofis oder Einheimische, die den Spot ganz genau kennen und die oft so tückischen Wellen realistisch einzuschätzen wissen.
Ein Schild am Strand warnt sogar davor, damit rechnen zu müssen, von den Locals auf die Mütze zu bekommen, wenn sich offensichtlich unerfahrene Surfer am Strand breitmachen. Mit der Sache ist nun einmal nicht zu spaßen.
Dennoch bietet die Westküste auch für den Durchschnittssurfer einige spannende Surf-Locations. Und diese sind, nach einem Abstecher nach Nazaré, um den Profis zuzuschauen, auch gar nicht allzu weit entfernt. Zu nennen sind unter anderem:
- Peniche: Peniche ist nach Nazaré wohl als das Surfer-Mekka Portugals bekannt. Die Autofahrt von Nazaré aus dauert nur knapp 50 Minuten. Eine Halbinsel trennt hier die Strände im Norden und Süden der Stadt. Und sie garantiert gleichzeitig auch, dass ein einer der ganzen 15 Surfspots fast immer den eigenen Fähigkeiten entsprechende, geeignete Wellen zu finden sind.
- Praia Baleal Norte: Der Praia Baleal Norte in Casais do Baleal, was um die Ecke von Peniche liegt, besticht vor allem durch seine Ruhe und Schönheit. Die Wellen sind oft ruhiger, als an anderen Spots Portugals, für Einsteiger ist der Strand allerdings optimal.
- Praia do Medão: Auch dieser Strand (auch Praia dos Superturbos genannt) liegt einen Katzensprung von Peniche aus Richtung Süden. Wie der Spitzname »Superturbos« schon verrät, sind hier immer wieder lange röhrenförmige Wellen anzutreffen, die den Strand europaweit berühmt gemacht haben. Auch hier finden daher immer wieder auch internationale Wettkämpfe statt.
- Praia da Barra: Wer sich vielleicht von Nazaré aus auf den Weg nach Porto machen möchte, sollte unbedingt einen Abstecher zum Praia da Barra machen. Dieser lange Strand liegt bei der Lagunenstadt Aveiro und wird im Norden von einer Mole gegen störende Winde geschützt. Außerdem finden sich hier etliche Stellen mit unterschiedlich hohen Wellen, sodass sowohl Einsteiger, als auch Fortgeschrittene und Semi-Profis meist auf ihre Kosten kommen sollten.
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